Unterwegssein (körperlich wie geistig).
Anfangen mit dem Weitermachen.
Weitermachen mit dem Anfangen.
In Bewegung bleiben.
Sich verlieren in Neuentdecktem.
Sich wiederfinden in Altbekanntem.
Stur geradeaus jeden Umweg nehmen.
Oszillieren zwischen konstruktivem und destruktivem Wahnsinn.
The Brand New Wave reiten.
No future durch no present vorwegnehmen.
Sich selbst auf dem Standstreifen überholen.
Keinen Stein auf dem anderen lassen.
Weiße Flecken auf Landkarten ausmalen.
Mit vier Assen auf der Hand am Roulettetisch sitzen.
Gipfelkreuze in Schluchten aufstellen.
Und über all das schreiben.
That’s what I do.
Ein Individuum ist, laut der knappen Definition des Dudens, der »Mensch als Einzelwesen [in seiner jeweiligen Besonderheit]«. Wobei »Einzelwesen« keinesfalls eine von anderen Lebewesen entkoppelte Existenzform meint. Im Gegenteil. Das Individuum ist bestrebt, sich von anderen abzugrenzen, unterscheidbar zu sein. Aber um sich von anderen zu unterscheiden, müssen erst mal andere da sein. Ein Individuum braucht für seine Einzigartigkeit also den Resonanzraum eines Kollektivs.
Solche Kollektive können die Familie sein, der Freundeskreis, Arbeitskollegen, Nachbarn, Vereine oder Klassenkameraden. Erst in diesen sozialen Zusammenschlüssen erfährt das Individuum seine eigentliche Individualität. Das ausdifferenzierte Selbstbild eines Individuums speist sich zu großen Teilen aus diesen Bezugssystemen, aus Zuschreibungen anderer, aus Reaktionen auf das eigene Verhalten. Erst durch sie wird man die beste Gastgeberin im Freundeskreis, ein aufmerksamer Zuhörer, der, der sich keine Witze merken kann, die Pub-Quiz-Gewinnerin des Monats, die Ikea-Schrank-Zusammenbau-Expertin oder der Opa des Jahres.
Was aber macht es mit einem Individuum, wenn diese Selbstbild konstituierenden sozialen Reflektoren wegfallen? Dann ist es plötzlich nur noch Funktionsträger, kategorisiertes Einzelwesen, das einen bestimmten Platz im System zugewiesen bekommt. Dann ist es nur noch Pflegekraft, Risikogruppe, Friseur, Gastronom, Soloselbstständiger, Elternteil schulpflichtiger Kinder oder Angestellter körpernaher Dienstleistungsbetriebe. Im schlimmsten Fall wird ihm selbst der Anschluss zu diesem Kollektiv verwehrt, wenn seine Funktion als nicht systemrelevant eingestuft wird.
Die »jeweiligen Besonderheiten« werden nivelliert, an ihre Stelle treten größtmögliche Übereinstimmungen mit anderen Zugehörigen der unfreiwilligen Bezugsgruppe. Das Individuum wird also entindividualisiert, es ist nicht länger Einzelwesen, sondern beliebiger, austauschbarer Teil eines ihm nur ausschnittsweise bekannten Subsystems.
Mit meiner Fotoserie »Das Individuum in der Krise« möchte ich die abstrakten Kollektive der Pflegekräfte, der Friseure, der Soloselbstständigen, der Touristikbranche, der Gastronomen, der Risikogruppe, der
Impfgruppe 1, der Studenten und Schüler sowie der Eltern mit Gesichtern füllen und ihnen so ein Stück Individualität zurückgeben. Etwa dreißig Mainzer Vertreter all dieser Gruppen möchte ich
stellvertretend porträtieren. Die Portraits findet ihr unter anderem hier auf der Seite unter »Fotos«.
EIN FRÄULEIN ERWACHT IN EINER FREMDEN WOHNUNG - MIRIAM SPIES LIEST LILI GRÜN UND LESSIE SACHS
Es waren die vermeintlich goldenen 20er Jahre, in denen die ersten Texte der beiden Lyrikerinnen Lili Grün und Lessie Sachs entstanden. Zwei junge Frauen, die sich in Künstlerkreisen tummelten, und denen es scheinbar leichtfüßig und präzise gelang, die Sorgen und Sehnsüchte, die Träume und Hoffnungen dieser ambivalenten Zeit zwischen den beiden Weltkriegen in Worte zu fassen. Mal lakonisch, mal kaltschnäuzig, mal angriffslustig und oft sehr humorvoll fingen sie mit ihren Gedichten den Geist der Weimarer Republik ein und wurden schnell zu Lieblingen des Feuilletons.
Es war – vor allem was die Kunst anging – eine Dekade von unglaublicher Innovation und Experimentierfreudigkeit. In kaum einem anderen Jahrzehnt sind dermaßen viele bedeutsame Kunstwerke und -richtungen entstanden. Und das in einem Tempo und in einer Intensität, als hätten die Protagonist*innen dieser Tage geahnt, dass dieser Rausch nur von kurzer Dauer sein würde, dass schon ganz bald der heimische Herd der unhinterfragte Wirkungsort der zur Ehefrau und Mutter redegradierten Frau sein würde, dass all die künstlerischen Experimente als vermeintlich entartet ihrer Daseinsberechtigung beraubt werden sollten.
Die schriftstellerische Karriere von Lili Grün und Lessie Sachs – beide jüdischer Herkunft – endete schlagartig mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten und einem damit einhergehenden Veröffentlichungs- und Auftrittsverbot.
Lessie Sachs verlor am 28. Januar 1942 im Exil in den USA ihren Kampf gegen den Krebs. Lili Grün wurde am 1. Juni 1942 im Vernichtungslager Maly Trostinez ermordet.
»Ein Fräulein erwacht in einer fremden Wohnung« versammelt 27 Gedichte von Lili Grün und Lessie Sachs, gelesen von Miriam Spies, musikalisch begleitet von: Andreas Heuser, Anna Otta, Benjasch, Casiomir, Christov Rolla, Der, den mein Freund kannte (Tom Liwa), Dirk Bernemann, Dirk Huelstrunk, Dolphin Gold, ER SAGTE STOCKHOLM, Folkwang Kammerorchester Essen, Gary Schmalzl, Jakob Kirchheimer, Jens Friebe, Johannes Lind, Kai Kraus, Kersten Flenter, Michael Börner, Moritz Henkel, Noam Gofer, Porsche Boomer, Radomir Wrobel, Reverend Christian Dabeler feat. Geri ”the Sax“ Klug, Roky Lugosi, Sibylle Boeckh, Sven Heuchert, Uwaga! und Volker Giese.
Hörsproben gibt's auf Soundcloud:
Uralte
Liebesmelodie - Christov Rolla
Ich habe Sehnsucht - Tom Liwa & Miriam Spies
Wie wird das sein im Paradies - Noam Gofer
Komplettes Album hier bestellen
Irre Geschichten aus dem Unterholz der marokkanischen Gesellschaft
Ob versteckte Herbergen, das beste Essen der Welt oder Schutzengel in Djellabas: In Marokko lauert Wunderliches hinter jeder Ecke. Und so begibt sich Miriam Spies
im Winter, alleine und ohne nennenswertes Budget mitten hinein in dieses mythische Land. Die Reiseleitung überlässt sie dem Zufall. Per Anhalter, im Nachtbus und zu Fuß stolpert sie über ebenso
märchenhafte wie sonderbare Geschichten. Sie isst mit einem Bettler zu Mittag, trinkt Tee bei einer englischen Dame und marokkanisches Bier in einer Fußballkneipe. Ein blinder Westsahara-Veteran
gibt ihr eine geheimnisvolle Botschaft mit auf den Weg. In einer Studenten-WG plant sie beim Joint die Weltrevolution. Und dann war da ja noch die Sache mit dem König …
Miriam Spiesʾ Reiseroman ist eine Geschichte vom Unterwegssein durch eine fantastisch fremde Welt, von kauzigen, momenthaften Reisebegleitern, von Minutenfreundschaften, von schlaflos
durchwachten Nächten und von skurrilen Lebenswegkreuzungen.
Ihre Reise führt sie nach Nador, Tanger, Chefchaouen, Essaouira, Marrakesch, Casablanca und Rabat. Die großen historischen Stätten wie den Djeema el Fna sucht sie ebenso auf wie die dunklen
Ecken, die man angeblich besser meidet. Doch umgeben von Bettlern und Veteranen, Krämern, Löwenmüttern und Studenten lernt sie bald: In Marokko reist man nie alleine. Augenzwinkernd und mit großer Zuneigung für Marokko stellt Miriam Spies den Lobliedern der alten Reiseliteraten die Wünsche und Träume der jungen Generation gegenüber und
entwirft so ein mythisches Bild des winterlichen Marokko zwischen Grunge und Grandezza.
Miriam Spies
»Im Land der kaputten Uhren – mein marokkanischer Roadtrip«
Conbook Verlag
Erscheint: September 2019 (1. Auflage)
Premium-Paperback mit Einbandklappen
ISBN: 978-3-95889-258-3
€ 14,95 [D], € 15,40 [A], SFr. 21,90* [CH]
PRESSESTIMMEN:
»Im Land der kaputten Uhren erzählt keine Abenteuer- und keine Aussteigergeschichte. Es geht in diesem Buch um die Reibungen, die erzeugt werden, wenn jemand wie die Autorin, westlich geprägt, mit wachem Verstand in Milieus eintaucht, zu denen sie durch ein ähnliches Alter und gemeinsame Interessen zwar einen Zugang hat. In denen sie jedoch nie aufgehen wird. Dazu hat sie als Deutsche zu viele Privilegien, genießt und beansprucht sie Freiheiten, die sich ihre marokkanischen Freunde alle erst erkämpfen müssen.
Spies ist interessiert an der Energie, die bei dieser Reibung entsteht. Nicht selten befeuert die ihren Humor. Es ist eine Kunst, Situationen so zu schildern, dass sich deren Komik auch jenen erschließt, die nicht dabei waren. Miriam Spies beherrscht sie vortrefflich. Deshalb wird eine grauenvolle Busfahrt, auf der sich mehrere Passagiere übergeben müssen, zur fulminanten Slapstick-Nummer. An deren Ende der erste Eindruck mal wieder nicht der richtige war.«
Stefan Fischer (Süddeutsche Zeitung, 15. Oktober 2019)
»Die Kulturanthropologin überzeugt durch vergleichende Beobachtungen etwa über das `Nichtstun´ als Tätigkeit und positiv konnotierte Abwesenheit von Agitation, die Magie des Geschichtenerzählens, Gebetsrufe der Muezzins, die als `` atonale Klangglocke´ über den Städten schweben, Gastfreundschaft als Selbstzweck und das Wachsen durch Missverständnisse auf kulturellem `Spiegelsplitterparkett´. Gekonnt schmückt Spies ihr Buch aus mit Zitaten aus `Tausendundeiner Nacht´ oder Reminiszenzen anderer Marokko-Fahrer von Edith Wharton bis Helge Timmerberg. Doch schlägt sie auch kritische Töne an […].
Steffen Gnam (FAZ, 9. Juli 2020)
»Stattdessen treibt sie voll Neugier und mit erstaunlich offenen Augen durch ein faszinierendes Land, wundert und wurschtelt sich durch, und so erfährt man natürlich viel mehr als aus irgendeinem Reiseführer; Helge Timmerberg lässt grüßen.«
Birgit Fuß (Rolling Stone, Dezember 2019)
»`In Marokko liegt vielleicht kein Geld auf der Straße´, schreibt sie. `Aber dafür lauern die kleinen Wunder des Lebens hinter jeder Ecke.´ Auch dieses Buch ist solch ein kleines Wunder.«
Gerd Blase (Mainzer Allgemeine Zeitung, 27. Dezember 2019)
»Sie beschreibt ihre Erlebnisse mit diesen Menschen und die nur scheinbaren Widersprüche mit viel Einfühlungsvermögen, Verständnis und manchmal auch Toleranz. Immer sehr atmosphärisch und humorvoll, vor allem, wenn es um die eigenen Scheuklappen geht. […] Miriam Spies hat ihren eigenen Erzählstil gefunden, angelehnt an die Beat-Generation und Helge Timmerberg, aber bei weitem nicht so Ich-bezogen.«
Ingo Thiel (WorldWideWave, Dezember 2019)
»Sie ist eine Autorin mit Selbstironie, ihre Sprache ist nie langweilig, und ihr Humor geht nicht auf Kosten anderer.«
Jochen Knoblauch (Neues Deutschland, 22.11.2019)
»Ein Reisebericht, der erfrischend anders ist als die übliche Marokko Reiseliteratur und besonders, aber nicht ausschließlich, für die junge Generation spannend ist.«
Marokko-Reiseblog, Dezember 2019
»Als Frau On the Road in einem muslimisch geprägten Land – Alltägliches wird zum Abenteuer und westliche Zivilisationsgewissheiten fliegen über Bord. Offen und vorurteilsfrei bewegt sich Miriam Spies im Fremden, um Vermittlerin zwischen den Kulturen zu werden. Ein packender Reisebereicht aus einem Land, das zwischen Tradition und Aufbruch oszilliert.«
Boris Kerenski (Mitherausgeber »Tanger Telegramm«)
»Auch wenn der letzte Dirham ausgegeben, der letzte Nachtbus abgefahren und der letzte Gebetsruf verklungen ist – Miriam Spies findet immer einen Weg auf ihrer Reise durch Marokko. Ein Buch wie eine Ankunft ohne Abfahrt, wie eine Winternacht auf einem Dach, wie ein Souk, der niemals schließt.«
Marc Koch (SWR)
»Wie alle Reisen, ist auch die Reise durch Marokko, von der Miriam Spies berichtet, eine, die in ein inneres Niemandsland führt, von wo es keine Rückkehr gibt.«
Jürgen Ploog
»Dem Lesegenuss maßgeblich zugrunde liegen dabei nicht zuletzt Miriam Spies’ wunderbare Erzählkraft, ihre klare, unterhaltsame Sprache und das spürbare Herzblut, mit dem sie sich ihrer eigenen Reise hingibt. Die Autorin schafft es immer wieder, die Lippen zum Schmunzeln zu bewegen, Landesgeschichte und Reiseberichte mühelos zu verweben und Marokko auch sprachlich vollkommen unvoreingenommen zu begegnen.«
Gutenbergs Letterwald, Dezember 2019
»Ich bin live dabei, wenn sie mit zwei fremden Marokkanern durch die Nacht fährt und lerne durch ihre Augen Land und Leute kennen. Ich finde Antworten auf meine Fragen zur Kultur und entdecke sogar Fragen, die ich mir noch gar nicht gestellt hatte.«
Kate travels, November 2019
»Man merkt das sie von Haus aus Kulturanthropologin ist und deshalb den Menschen mit Respekt begegnet und weiß, mit welchen Worten sie Situationen gekonnt beschreiben kann.«
Lieschenradieschen reist, November 2019
Am 5. Oktober 2019 durfte ich mich mit Anna Kohn bei Early Bird (Deutschlandfunk nova) über kaputte Uhren, marokkanische und deutsche Studenten WGs und das Geheimnis des marokkanischen Reisens unterhalten. Wer's verpasst hat, kann's hier nachhören:
Miriam Spies:
Lilly
2019, Unsichtbar Verlag
Edition kleinLAUT
ISBN: 978-3-95791-099-8
22 Seiten
2,00 €
In manche Geschichten gerät man einfach so hinein. Ein bisschen lächerlich, ein bisschen klischeehaft. Am Ende findet keiner mehr raus.
Was für ein wunderschönes Kompliment! Jan Boris Rätz hat sich meines Insomnia-Textes »Froschlaich im Lavendel unterm
Küchentisch« angenommen und ihn ganz, ganz großartig umgesetzt. Ganz schön toll geworden. Danke.
Und natürlich finden sich auf seinem YouTube-Kanal noch ganz andere Schätze. Durchstöbern lohnt sich.
Studio Nierswelle aus Viersen hat die Aufnahme in ihre Mediathek aufgenommen. Dickes Danke dafür an Gabi Koepp und Franz-Jürgen Meis. Nachzuhören HIER.
AKTUELLES
An einer Lesung interessiert? Dann schreibt eine Mail an booking@disentertainment.de
disentertainment.de
DAS IST DAF
Jürgen Meis & Gabi Koepp im Gespräch mit Miriam Spies
Welle Niederrhein
Eine Stunde lang unterhalten sich die Moderatoren Jürgen Meis und Gabi Koepp mit Miriam Spies über die Deutsch Amerikanische Freundschaft, die Liebe zur Musik, Subkulturen, das Schreiben und das Unterwegssein. Dazwischen gibt's Musik, unter anderem von DAF und Auszüge aus dem Buch »DAS IST DAF«, gelesen von Miriam Spies.
Wer die Sendung verpasst, kann sie in der Mediathek nachhören:
https://www.nrwision.de/mediathek/